Homöopathie: "Was draufsteht, muss auch drin sein"

Ein von DANCKELMANN UND KERST-Partner Dr. Hans-Jürgen Ruhl „erstrittenes“ Anerkenntnisurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.06.2021, Az. 6 U 49/20 (abrufbar bei beck-online: BeckRS 2021,18563), hat – obgleich es gemäß der Zivilprozessordnung über keine Entscheidungsgründe verfügt – in der Presse für ein erhebliches Echo gesorgt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte in der Verhandlung die Auffassung der Berufung bestätigt, dass ein homöopathisches Arzneimittel, das die Bezeichnung eines bestimmten Wirkstoffs im Namen trägt, die angesprochenen Verbraucher in die Irre führt, wenn der Wirkstoff nicht nachweisbar ist. Die auf Unterlassung des Vertriebs von zwei homöopathischen Arzneimitteln unter den Bezeichnungen „HCG C30 Globuli“ und „HCG C30 Tropfen“ in Anspruch genommene Apothekerin erkannte daher die Klage des von Rechtsanwalt Dr. Ruhl vertretenen Klägers an.

Zunächst hatte das Landgericht Darmstadt (Az. 15 O 25/19) in der ersten Instanz in seinem klageabweisenden Urteil die Auffassung vertreten, dass den hier angesprochenen Verkehrskreisen, nämlich Anhängern der Homöopathie, bekannt sei, dass die Wirkstoffe bei homöopathischen Arzneimitteln geringer dosiert seien als in der Schulmedizin, weshalb von einer unlauteren Irreführung nicht ausgegangen werden könne. Dies gelte auch dann, wenn ein Wirkstoff (HCG) mit keinem bekannten wissenschaftlichen Verfahren nachgewiesen werden könne. Schon dieses – in der Zwischenzeit aufgehobene – erstinstanzliche Urteil erfuhr eine Resonanz, die bis in die österreichische Tagespresse reichte („WIRTSCHAFTSRECHT, Was ein deutsches Urteil zur Homöopathie bemerkenswert macht, Ein Gericht in Darmstadt hat entschieden, dass Arzneimittel mit Inhalten werben dürfen, die gar nicht nachweisbar sind. Warum eigentlich?“ abgerufen am 11.09.2021 unter https://www.derstandard.de/story/2000117981996/was-ein-deutsches-urteil-zur-homoeopathie-bemerkenswert-macht).

Anders als das Landgericht Darmstadt ist das Oberlandesgericht Frankfurt am Main davon ausgegangen, dass alle Menschen von der Werbung für die angegriffenen Produkte angesprochen werden. Aufgrund der fehlenden Nachweisbarkeit des beworbenen Wirkstoffs, die zwischen den Prozessparteien unstreitig war, läge dann zweifellos eine unlautere Irreführung dieser angesprochenen Verkehrskreise vor. Obgleich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main damit aus der Sicht des Klägers eine Selbstverständlichkeit festgestellt hat, nämlich dass ein Arzneimittel, das nach einem Wirkstoff benannt wird, diesen auch enthalten muss, fand das hier erlassene Anerkenntnisurteil in der Presse große Beachtung (vgl.: „Werbung für etwas, das es praktisch nicht gibt“ abgerufen am 11.09.2021 unter https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-08/homoeopathie-werbung-homoeopathika-globuli-inhaltstoffe-urteil-gericht; „Keine Wirkstoffnamen mehr bei Globuli? Was das OLG-Urteil bedeutet“ abgerufen am 11.09.2021 unter https://www.apotheke-adhoc.de//nachrichten/detail/apothekenpraxis/keine-wirkstoffnamen-mehr-bei-globuli-was-das-olg-urteil-bedeutet/; „LAUTERKEITSRECHT, Ein Urteil stellt die Bewerbung homöopathischer Produkte infrage, Apotheken dürfen laut einem bahnbrechenden deutschen Urteil Homöopathie-Präparate nicht mit Inhaltsstoffen bewerben, die nicht nachweisbar sind“, abgerufen am 11.09.2021 unter https://www.derstandard.de/story/2000128032793/ein-urteil-stellt-die-bewerbung-homoeopathischer-produkte-infrage).

Es bleibt abzuwarten, ob es demnächst zu weiteren gerichtlichen Verfahren kommt, in denen die oben geschilderte rechtliche Beurteilung nicht nur in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, sondern auch in begründeten Entscheidungen festgestellt wird.



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