Das faktische Ende der notariellen Unterlassungserklärung zur außergerichtlichen Streitbeilegung - RA Rehart erläutert eine aktuell veröffentlichte Entscheidung des BGH

Es entspricht einem anerkannten Grundsatz, dass aus einer Rechtsverletzung jedenfalls im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die Handlung auch wiederholt wird. Die solchermaßen vermutete Wiederholungsgefahr kann in aller Regel nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (sowie durch einen rechtskräftigen Unterlassungstitel bzw. als eine endgültige und rechtsverbindliche Regelung anerkannte einstweilige Verfügung) beseitigt werden (BGH GRUR 1998, 1045 f. – Brennwertkessel; BGH GRUR 2013, 1259 f. – Empfehlungs-E-Mail, TZ 12,26).

In jüngerer Zeit wurde nun ein neuer Weg beschritten, der darin bestand, dass eine Unterlassungserklärung in Form einer notariellen Urkunde abgegeben und dem Unterlassungsgläubiger zugeleitet worden ist. Hintergrund dieser „Konstruktion“ war die Überlegung, dass die mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung einhergehenden weitreichenden Haftungsfolgen ebenso vermieden werden sollten, wie die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn der Unterlassungsschuldner den Unterlassungsgläubiger auf den Gerichtsweg verweist. Mit einer notariellen Unterlassungserklärung sollte der „Verteidigungsvorteil“ eines gerichtlichen Titels mit den geringeren Kosten einer außergerichtlichen Streitbeilegung verbunden werden. Zu diesem „neuen Weg“ wurde kontrovers diskutiert, ob eine solche Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr und das Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Geltendmachung beseitigen könne.

Mit dem ganz aktuell veröffentlichten Urteil vom 21.04.2016 (I-ZR 100/15 – Notarielle Unterlassungserklärung) hat der Bundesgerichtshof diesen Streit nun entschieden:

Das Rechtsschutzinteresse für eine Klageerhebung werde durch eine notarielle Unterlassungserklärung zunächst solange nicht beseitigt, solange der Unterlassungsgläubiger nicht auch den gesonderten Beschluss über die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Sinne des § 890 Abs. 2 ZPO verfügt und die zweiwöchige Wartefrist des § 798 ZPO abgelaufen ist, denn bis dahin verfüge der Gläubiger schon nicht über eine dem gerichtlichen Titel im Hauptsacheverfahren gleichwertige Vollstreckungsmöglichkeit (BGH a.a.O. – Notarielle Unterlassungserklärung, Tz. 20).  

Der Gläubiger müsse sich aber auch aus weiteren Gründen nicht auf eine notarielle Unterwerfungserklärung einlassen, weil es Unsicherheiten und Erschwernisse in Bezug auf die Zuständigkeit für die Vollstreckung aus einer notariellen Unterlassungserklärung gäbe und daraus auch erhebliche zeitliche Schutzlücken resultieren könnten (BGH a.a.O. – Tz. 22 f.). Auch müsse der Unterlassungsgläubiger im Falle der Vollstreckung aus einer notariellen Unterlassungserklärung durch die ggf. bestehende Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz des Notars auf die Beurteilung durch die ständig mit Wettbewerbssachen befassten Landgerichte verzichten und außerdem könne der Unterlassungsschuldner dem Unterlassungsgläubiger das zuständige Gerichts aufzwingen und damit dem Unterlassungsgläubiger auch die Möglichkeit des fliegenden Gerichtsstands nehmen (a.a.O., - Tz. 24). Resümierend kommt der Bundesgerichthof zu dem Ergebnis, dass es für einen Unterlassungsgläubiger vernünftige Gründe gäbe, auch nach Zugang einer notariellen Unterlassungserklärung gerichtliche Schritte einzuleiten oder an solchen festzuhalten.

Solange sich der Unterlassungsgläubiger nicht auf die Streiterledigung mittels notarieller Unterlassungserklärung einlasse und er insbesondere etwa davon absehe, die gesetzlichen Ordnungsmittel gemäß § 890 Abs. 2 ZPO androhen zu lassen, bleibe das Rechtsschutzbedürfnis für gerichtliche Schritte unberührt (a.a.O., - Tz. 25).

Zur Frage der Wiederholungsgefahr bestätigt der Bundesgerichthof zunächst, dass die notarielle Unterlassungserklärung im Grundsatz geeignet ist, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (a.a.O., - Tz. 30). Natürlich müsse die Unterlassungserklärung aus der notariellen Urkunde (wie jede andere auch) von dem Erfordernis der Ernsthaftigkeit getragen sein und in hinreichend bestimmter Form den gesetzlichen Unterlassungsanspruch in vollem Umfang erfassen, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen (a.a.O. – Tz. 30). Allerdings erfordere – und das ist hervorzuheben – die Eignung zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, dass der Unterlassungsgläubiger auf die notarielle Unterlassungserklärung einlasse, was durch einen beantragten und dann auch zugestellten Androhungsbeschluss iSd. § 890 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck komme; erst mit dem zugestellten Androhungsbeschluss lasse sich die Verfolgungsbereitschaft des Gläubigers erkennen. Interessen des Unterlassungsschuldners hätten zurückzustehen. Das Interesse des Unterlassungsschuldners, nicht für Erfüllungsgehilfen haften zu müssen oder im Falle einer Zuwiderhandlung lieber ein Ordnungsgeld an die Staatskasse als eine Vertragsstrafe an den Wettbewerber zahlen zu wollen, sei nicht gewichtiger, als das Interesse des Gläubigers, effektiv sicherstellen zu können, dass der Unterlassungsanspruch eingehalten wird.

Als Praxishinweis lässt sich somit festhalten, dass nach der Entscheidung „Notarielle Unterlassungserklärung“ des Bundesgerichthofs nunmehr Klarheit darüber besteht, dass sich ein Unterlassungsgläubiger überhaupt nicht auf eine notarielle Unterlassungserklärung einlassen muss. Er kann dies natürlich gleichwohl tun und aus dieser notariellen Urkunde über die Androhung und Zustellung der gesetzlichen Ordnungsmittel einen Vollstreckungstitel schaffen, wenn er mit dem ihm so dargebotenen Weg des Schuldners einverstanden ist. Er kann diesen Weg aber auch ablehnen und den Gerichtsweg beschreiten. Daraus ergibt sich dann auch die Notwendigkeit für den Unterlassungsschuldner, sich sehr genau zu überlegen, ob er Zeit und Kosten aufwenden will, um eine notarielle Unterlassungserklärung erstellen zu lassen, wenn sich dann am Ende nun doch nicht der erhoffte Effekt (keine vertragliche Absicherung der Unterlassungspflicht zugunsten des Gläubigers einerseits, Vermeidung des in aller Regel teureren gerichtlichen Verfahrens andererseits) erzielen lässt. Faktisch dürfte mit der BGH-Rechtsprechung das Instrument der notariellen Unterlassungserklärung wohl keine Bedeutung mehr haben können.



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