BAG entscheidet: Zur Versetzung eines Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen wird die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nicht benötigt. Rechtsanwalt Stickler erläutert:

Eine Versetzung aus gesundheitlichen Gründen kann der Arbeitgeber im Rahmen seines ihm zustehenden Weisungsrechts, ohne die vorherige Durchführung eines BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX vornehmen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob die Versetzung eines über längere Zeiträume erkrankten Arbeitnehmers der vorherigen Durchführung eines BEM bedurfte.

Exkurs:

Der Arbeitgeber ist nach § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, um die Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten zu überwinden und auch zukünftig zu vermeiden. Sinn und Zweck ist es, den Arbeitsplatz des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers zu erhalten. Die Verpflichtung zur Durchführung entsteht dann, wenn ein Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres krankheitsbedingt gefehlt hat. Die Durchführung eines BEM ist Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitgebers.

In der entsprechenden Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 18.10.2017 – Az.: 10 AZR 47/17) war der Kläger bei der Beklagten als Maschinenbediener beschäftigt. Seit dem Jahre 2005 wurde er nahezu dauerhaft in der Nachtschicht eingesetzt. Nachdem der Kläger über einen Zeitraum von zwei Jahren wiederholt für längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, wurde er nach seiner Wiedergenesung zunächst wieder in der Nachtschicht eingesetzt. Es fand sodann im März 2015 ein Krankenrückgespräch statt. Dieses war nicht als BEM ausgestaltet oder als solches vorgesehen. Die Beklagte ordnete im Anschluss an das Gespräch an, dass der Kläger wieder in Wechselschicht eingesetzt werde. Diese Maßnahme erfolgte nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats.

Der Kläger klagte auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Versetzung mit der Begründung, dass die Beklagte vor der Versetzung kein BEM durchgeführt habe. Zudem vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Versetzung nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gemäß § 106 GewO umfasst sei, da seine Interessen an der Beibehaltung der Nachtschicht nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

Die Beklagte begründete die Maßnahme damit, dass die ständige Arbeit in der Nachtschicht nachteilhaft für die Gesundheit des Klägers sei. Aus diesem Grund sei sie berechtigt gewesen, mit der Versetzung zu überprüfen, ob der Einsatz in der Wechselschicht den Gesundheitszustand des Klägers verbessern werde. Ferner sei der Kläger auch im Falle von zukünftigen Fehlzeiten in der Wechselschicht einfacher zu ersetzen.

Nachdem das Landesarbeitsgericht (LAG) der Berufung der Beklagten stattgegeben hatte, hat das Bundesarbeitsgericht die Sache wegen fehlender Feststellungen zur erneuten Entscheidung an das LAG zurückverwiesen und zuvor festgestellt, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung sei, und zwar auuch nicht für Fälle, in welchen die Versetzung wegen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers vorgenommen werde.

Es komme bei einer Versetzung nur darauf an, ob die Entscheidung des Arbeitgebers insgesamt von dessen Direktionsrecht nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB umfasst sei und insoweit dem sich daraus ergebenden billigen Ermessen entspreche. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Das BAG hat mit seiner Entscheidung festgestellt, dass die Durchführung eines BEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Versetzung darstellt. Auch im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung stellt die Durchführung eines BEM im Grunde genommen keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung dar. In ihren bisherigen Entscheidungen hatten die Gerichte die Ansprüche bezüglich des BEM grundsätzlich erhöht. Wurde die Durchführung eines BEM im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung nicht vorgenommen, erhöhte dies die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, weil der Arbeitgeber darzulegen hat, dass die Kündigung verhältnismäßig ist. Hierbei ist insbesondere nachzuweisen, dass die Durchführung eines BEM unterlassen werden konnte. Ein solcher Nachweis ist nahezu unmöglich. Der Ausspruch einer wirksamen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen wird daher ohne die vorherige Durchführung eines BEM fast nie gelingen.

In der aufgeführten Entscheidung hat das BAG davon abgesehen, die „Pflicht“ zur Durchführung eines BEM auch auf andere arbeitgeberseitige Maßnahmen zu erstrecken. Der Arbeitgeber sollte jedoch bei einer krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers, die länger als 6 Wochen innerhalb eines Jahres andauert, grundsätzlich ein BEM anbieten. Dies gilt vor allem dann, wenn er beabsichtigt, aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine Versetzung oder Kündigung auszusprechen, damit im Falle eines Rechtsstreits seine Darlegungs- und Beweislasten erleichtert werden. Zu beachten sind hierbei die strengen Voraussetzungen an die Einladung und das BEM-Gespräch. Beides bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Der Arbeitgeber bleibt jedenfalls verpflichtet, sowohl den betroffenen Arbeitnehmer als auch den Betriebsrat anzuhören, bevor er die Versetzung durchführt. Hierdurch erfährt der Arbeitnehmer im Falle einer Versetzung ohne die vorherige Durchführung eines BEM hinreichenden Schutz.

 



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