BGH bestätigt mit aktuellem Urteil Ausnahmen der Textilkennzeichnungsverpflichtung: Rechtsanwalt Rehart erläutert die Entscheidung.

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuell veröffentlichten Entscheidung erstmals mit der Frage befasst, ob die Verletzung von Regelungen zur Textilkennzeichnung einen Wettbewerbsverstoß begründen kann.

In dem Urteil vom 24.03.2016 (I ZR 7/15) hat der Bundesgerichtshof zunächst bestätigt, dass die Bestimmungen, die die Kennzeichnung von Textilprodukten regeln (ins. Art. 16 Abs. 1 der Textilkennzeichnungsverordnung), Marktverhaltensregelungen iSd. § 3 a UWG darstellen, mit der Folge, dass deren Verletzung einen Wettbewerbsverstoß begründen können. Diese Auffassung ist so auch schon vom OLG Düsseldorf in der Vorinstanz (GRUR-RR 2015, 154) vertreten worden. Erwartungsgemäß hat der Bundesgerichtshof diese Auffassung bestätigt.

Weiter hat der Bundesgerichtshof die Vorinstanz in der Auffassung bestätigt, dass Pflichten zur Kennzeichnung von Textilprodukten aus Art. 16 Abs. 1 der TextilkennzeichnungsVO, wonach die in Art. 5, 7-9 TextilkennzeichnungsVO aufgeführten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzungen in Katalogen und auf Prospekten, Verpackungen, Etiketten und Kennzeichnungen anzugeben sind, nicht uneingeschränkt gelten. Der Bundesgerichtshof hat die Pflichten zur entsprechenden Kennzeichnung für den Zeitpunkt festgelegt, zu dem die Verbraucher die Textilerzeugnisse zum Kauf angeboten bekommen. Die Informationen müssen schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, mithin zu dem Zeitpunkt, zu dem das Textilerzeugnis dem Verbraucher in Geschäftsräumen präsentiert und zur sofortigen Übergabe noch Kaufabschluss bereitgehalten wird.  

Solange es aber nur um Werbeprospekte ohne Bestellmöglichkeit geht, sieht der Bundesgerichtshof dagegen keine Verpflichtung zur Angabe der Faserzusammensetzung des angebotenen Textilerzeugnisses. Eine solche Verpflichtung lasse sich aus der TextilkennzeichnungsVO nicht ableiten. Art. 16 der TextilkennzeichnungsVO solle sicherstellen, dass der Verbraucher vor dem Kauf von Textilerzeugnissen deren Fasergehalt richtig erkennen könne, um eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Sofern es um Kataloge oder Prospekte gehe, mit denen im Versandhandel angeboten Ware präsentiert werde, müsse der Verbraucher die Faserzusammensetzung schon in diesen Werbemitteln erkennen können. Das gelte auch für die Werbung im Internet. Bei all diesen Werbemitteln/Werbemedien könne der Verbraucher aufgrund der Präsentation der Ware diese unmittelbar kaufen oder eine Bestellung über Fernkommunikationsmittel abgeben. Handele es sich dagegen um Werbeanzeigen oder Werbeprospekte ohne Bestellmöglichkeit, weil weder eine solche angegeben worden sei noch tatsächlich bestehe, könne der Verbraucher auch noch rechtzeitig vor seiner (eigentlichen) Kaufentscheidung über die Faserzusammensetzung informiert werden. In einem solchen Fall stelle die unterbleibende Angabe der Faserkennzeichnung keinen Verstoß gegen die TextilkennzeichnungsVO dar.

In einer solchen Konstellation könne ein Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 5 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UWG abgeleitet werden. Bestehe die Pflicht zur Angabe der Textilfasern  - noch - nicht, stellten die betreffenden Angaben der Faserzusammensetzung zu diesem Zeitpunkt auch noch keine wesentlichen Informationen im Sinne von § 5 a UWG dar.

Fazit:

Beim Vertrieb von Textilerzeugnissen sind die - durchaus strengen und auch nicht immer inhaltlich klaren - Anforderungen der Kennzeichnungsbestimmungen strikt zu beachten. Andernfalls drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und -verfahren, mit der Folge, dass unter Umständen erheblicher Schaden (durch eine notwendig werdende Nachkennzeichnung oder gar der Verlust von Werbemitteln und bereits produzierten Waren) entstehen kann. „Linderung“ bietet sich nur für einen Teil des Marktes an, der sich auf den Vertrieb seiner Textilerzeugnisse in Ladengeschäften und außerhalb der Möglichkeit der Bestellung per Fernkommunikationsmittel beschränkt. Für diesen Teil konstatiert der Bundesgerichtshof eine für die Praxis wesentliche Ausnahme und Klarheit für die Rechtslage in Deutschland.

Bei Unklarheiten ist fachkundiger Rat unbedingt empfehlenswert.



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